Die öffentlichen Brunnen im Stadtgebiet

von Rudolf Wegner

Bevor 1898 die zentrale Wasserversorgung in Münden eingeführt wurde, versorgten sich die Einwohner aus öffentlichen Brunnen. Wo waren wohl die "rennen, dar dat water ynne gheyd in de stadt", die schon 1401 in den Kämmereirechnungen genannt werden, und wo waren die Brunnen, aus denen die Mündener ihr Trinkwasser schöpften?

Aus den Katastern erfahren wir über die Wasserversorgung nichts. Diese Verzeichnisse dienten zur Ermittlung der Steuern und Abgaben; der Wasserverbrauch wurde bis zur Einführung der Wasserleitung und der Kanalisation aber nicht versteuert. Lediglich in der Gebäudesteuer-Veranlagungs-Nachweisung aus dem Jahre 1867 findet sich ein einziger Hinweis auf einen Brunnen, beim Haus des Lohgerbers Böcherer in der Burgstraße Nr. 126. Sicherlich verfügten auch die anderen Lohgerber über einen eigenen Brunnen, gewiss auch viele Bürger, aber die befanden sich eben auf eigenem Grund und Boden. Daher geistern die unterschiedlichsten Zahlenangaben - von 25 bis 76 - durch die Stadt.

Eidbuch

Es gibt dazu jedoch eine andere Quelle: Im Archiv der Stadt entdeckte Frau Wenzel das um 1750 angelegte Eidbuch, das u.a. den Wortlaut des Eides enthält, den der Brunnenmeister zu schwören hatte. Er beginnt mit den Worten: "Ihr sollt geloben und schwören einen Eid zu Gott und auf Sein Heiliges Wort, dass Ihr, solange euch das Amt eines Brunnenmeisters aufgetragen ist, die in hiesiger Stadt befindlichen Brunnen, nahmentlich

1. am Rahthause
2. auf dem Markt bei der Scharre
3. vor der Brücke, bei Schodden Hause
4. vor der Burg, bei Fried. Ilsen Ehefrauen Hause
5. vor der Burg, bei Senatoris Reusch Hause
6. auf dem Plahn, beim Commandanten-Hause
7. oben auf dem Plahn
8. unten auf der Burgstraße bei Reckwegs Hause
9. oben auf der Burgstraße bei Beten Hause
10. bei der Aegydien-Kirche, vorm Pfarrhause
11. in der Ritterstraße bei Lehnungs Hause
12. in der Lilienstraße beim Hoffmeisterschen Hause
13. auf der Langen Straße, vor ... Secretarii Beuermann Hause
14. noch daselbst, vor des Hrn. Bürgermeister Unger Hause
15. auf der Ziegelstraße bei der Schule
16. noch daselbst bei ... Ebbrechten Hause
17. bei dessen Commissarii Heimertz Hause
18. in der Ziegelstraße bei Schraders Hause
19. den Rattbrunnen
20. bei den Siebenthürmen, vor Winnefelds Hause
21. daselbst bei Hepen Hause
22. in der Hinterstraße, bei Reinhards ...Hause
23. in der Mühlenstraße, vor Haupts Erben Hause
24. in der Lohstraße, bei Schumanns Hause
25. den Brunnen im Unterbrauhause

in Aufsicht nehmen, und solche in beständigem guten brauchbaren Stande erhalten wollet, so daß keiner dieser Brunnen 24 Stunden lang ohne der benötigten Reparation stehen bleibet..."

Brunnen-Inventarium

Dann gibt es noch eine zweite Quelle im Archiv, das Brunnen-Inventarium aus dem Jahre 1814. Hier werden wiederum Namen genannt, vor deren Häusern die Brunnen standen. Wenn man weiß, wer in jenen Jahren welche Häuser besessen hat, und darüber geben ja die Kataster Auskunft, dann lassen sich die Standorte fast aller 26 genannten Brunnen mit ziemlicher Sicherheit bestimmen.

Zusammenstellung: Eidbuch, Brunnen-Inventarium, 574 Häuserspuren ...

Nachstehend sind die Angaben aus beiden Quellen zusammengestellt, oben - kursiv geschrieben - die Beschreibung aus dem Eidbuch, darunter die aus der Kämmereirechnung von 1814. Hinzugefügt wurde jeweils die 1820 gültige Hausnummer und die heutige Straßenbezeichnung.

Die Numerierung der Brunnen stimmt in den beiden Listen nicht völlig überein. Des besseren Vergleichs wegen ist die Reihenfolge deshalb unter Angabe der Originalnummer angepaßt.

In Kursiv-Schrift: Brunnen lt. Eidbuch 1750
In Normal-Schrift: Brunnen lt. Kämmereirechnung (Brunnen-Inventarium) 1814

Nr.	Standortbeschreibung	Hausnr. 1820	heutige Hausnr.
1.	am Rahthause
1.	beim Rathhause
2.	auf dem Markt bei der Scharre	574	Lotzestraße 1
2.	auf dem Markte		Lotzestraße 1 (zum vermuteten Standort)
3.	vor der Brücke, bei Schoddens Hause	525	Lange Straße 10 (Bemerkung)
3.	vor der Brücke, vor Sundheims Hause	528	LangeStraße 16 (zum vermuteten Standort)
4.	vor der Burg, bei Fried. Ilsen Ehefrauen Hause	39	Sydekumstraße 15 (Bemerkung)
4.	vor der Burg, vor Christian Ludwig Strövers Hause	39	Sydekumstraße 15 (zum vermuteten Standort)
5.	vor der Burg, bei Senatoris Reusch Hause	55/56	Marktstraße 19 (Bemerkung)
5.	daselbst, neben weiland Herrn Bürgermeister Reuschs Erben Hause	55/56	Marktstraße 19 (zum vermuteten Standort)
6.	auf dem Plahn, beim Commandanten-Hause	78	Plan 2 (Bemerkung)
6.	auf dem Plahn, ohnweit des Commandantenhauses	78	Plan 2 (zum vermuteten Standort)
7.	oben auf dem Plahn	90/92 ?	Plan 17 (Bemerkung)
7.	daselbst, vor Friedrich Kramers Hause	89	Plan 17 (zum vermuteten Standort)
8.	unten auf der Burgstraße bei Reckwegs Hause	109	Burgstraße 15 (Bemerkung)
8.	auf der Burgstraße, vor Lamsbachs Hause - nebst Kupfernem Stiefel	109	Burgstraße 15 (zum vermuteten Standort)
9.	oben auf der Burgstraße bei Beten Hause	127	Burgstraße 24 (Bemerkung)
9.	daselbst, vor Bethens Hause	127	Burgstraße 24 (zum vermuteten Standort)
10.	bei der Aegidien-Kirche, vorm Pfarrhause	199	Ägidienstraße 17 (Bemerkung)
10.	auf der Aegidiistraße, vor dem Pfarrhause	199	Ägidienstraße 17 (zum vermuteten Standort)
11.	in der Ritterstraße bei Lehnungs Hause	238	Ritterstraße1 (Bemerkung)
12.	In der Ritterstraße, neben dem Stern, nebst Kupfernem Stiefel	238	Ritterstraße 1 (zum vermuteten Standort)
12.	in der Lilienstraße beim Hoffmeisterschen Hause	246	Lange Straße70 (Bemerkung)
13.	in der Lilienstraße neben Andreas Winters Hause	246	Lange Straße 70 (zum vermuteten Standort)
13.	auf der Langen Straße, vor Secretarii Beuermann Hause	1	Lange Straße 61 (Bemerkung)
14.	an der Langen Straße an der Ecke des Kirchhofes		Lange Straße 61 (zum vermuteten Standort)
14.	noch daselbst, vor des Hrn. Bürgermeister Unger Hause	6	Lange Straße 51 (Bemerkung)
15.	daselbst, gegen Johan Christian Ballauffs Erben Hause	7	Lange Straße 49 (zum vermuteten Standort)
15.	auf der Ziegelstraße bei der Schule	562	Ziegelstraße 16-/20 (Bemerkung)
16.	auf der Ziegelstraße, neben der Stadtschule	562	Ziegelstraße 16-20 (zum vermuteten Standort)
16.	noch daselbst bei ? Ebbrechten Hause	559	Tanzwerderstraße 4 (Bemerkung)
17.	daselbst, neben Johann Gabriel Friedeborns Hause	559	Tanzwerderstraße 4 (zum vermuteten Standort)
17.	bei dessen Commissarii Heimertz Hause	275/76	Ziegelstraße 38/40 (Bemerkung)
18.	in der Petersilienstraße, neben weiland Georg Ludolph Hardegen Erben Haus	399	Petersilienstraße. 2 (zum vermuteten Standort)
18.	in der Ziegelstraße bei Schraders Hause	280	Ziegelstraße 50 (Bemerkung)
19.	auf der Ziegelstraße vor Heinrich Wilhelm Hofmanns Hause	281	Ziegelstraße 52 (zum vermuteten Standort)
19.	den Rattbrunnen	336	Ziegelstraße 66 (Bemerkung)
20.	auf der Ziegelstraße vor dem Ochsenwinkel; mit Kupfernem Stiefel		Ziegelstraße 66 (zum vermuteten Standort)
20.	bei den Siebenthürmen, vor Winnefelds Hause	376	Hinter der Stadtmauer 50 (Bemerkung)
22.	bei den Sieben Thürmen vor Anna Christina Robetken Hause	375	Hinter der Stadtmauer 50 (zum vermuteten Standort)
21.	daselbst bei Hepen Hause	379	Hinter der Stadtmauer 46 (Bemerkung)
23.	daselbst, neben Anton Rausch Erben Hause	380	Stumpfeturmstr. 1 (zum vermuteten Standort)
22.	in der Hinterstraße, bei Reinhards ??? Hause	452	Hinter der Stadtmauer 25 (Bemerkung)
21.	in der Hinterstraße vor Johann Wilhelm Friedeborns Hause	452	Hinter der Stadtmauer 25 (zum vermuteten Standort)
23.	in der Mühlenstraße, vor Haupts Erben Hause	462	Mühlenstraße 7 (Bemerkung)
24.	in der Mühlenstraße neben Johann Georg Retzmanns Hause	463	Mühlenstraße 5 (zum vermuteten Standort)
24.	in der Lohstraße, bei Schumanns Hause	507	Lohstr. 12 (Bemerkung)
26	in der Lohstraße neben Johann Friedrich Sponholz Hause - ist wegen faulen Wassers zugeworfen	498	Lohstr. 15 (Bemerkung)
11.	auf der Rosenstraße, vor dem Oberen Brauhause	184	Rosenstraße 8 (Bemerkung) (zum vermuteten Standort)
25.	den Brunnen im Unterbrauhause	469	Mühlenstraße 12 (Bemerkung) (zum vermuteten Standort)
25.	in der Lohstraße neben Postmeister Frank Erben Hause		Ecke Lohstr./Markt (Bemerkung) (zum vermuteten Standort)

Bei der Aufzählung der Brunnen folgte man in etwa dem auch in den Katastern gebrauchten Weg, beginnend am Rathause, am Gildehaus der Metzger vorbei (heute Spanholtz, Nr. 574  Brunnen Nr. 2) nordwärts zur Werrabrücke.